Leise Geleise
Bis 2025 sollen mindestens 80 Prozent der Schweizer Bevölkerung vor Lärmemissionen geschützt werden – doch der Bahnverkehr nimmt weiter zu. Forschende der Empa und der Hochschule für Wirtschaft und Ingenieurwissenschaften des Kantons Waadt unter Federführung der ETH Lausanne setzen auf «Rail Pads» aus elastischem Kunststoff zwischen Schienen und Betonschwellen um die Belastung zu mindern. Diese schonen den hochbelasteten Fahrweg, indem sie den Schienen minimale Bewegungen erlauben. Doch gerade diese Schwingungsfreiheit lässt die Schiene stärker «klingen» – das ist der entscheidende Faktor.
Massgeschneiderter Verbundwerkstoff
Rail Pads bestehen in der Schweiz meist aus dem harten Kunststoff Ethylenvinylacetat (EVA). Zwar würde ein weicheres Material den Fahrweg besser schonen – aber zum Preis einer höheren Lärmbelastung. Die Idee: eine Hülle aus EVA und ein Kern aus dem weichen Werkstoff Polyisobutylen (PIB), dessen Dämpfung präzise auf den geräuschintensiven Frequenzbereich von ca. 200 bis 2’000 Hertz abgestimmt ist. Also Sandwich-Strukturen aus flachen Schichten, mit und ohne «Deckel» aus EVA, zick-zack-geformte PIB-Füllungen, Oberflächen mit Einschnitten und allerlei mehr.
Doch zur Erkundung im Labor waren zudem aufwändige Vorarbeiten nötig. Das komplexe Zusammenspiel zwischen Schienen, Schwellen und Schotter simuliert eine «Drei-Schwellen-Einheitszelle»: zwei Meter Fahrweg, versehen mit einem «Shaker», der definierte Frequenzen erzeugt, und einer Sonde, die die Schallintensität misst. Diese Messzelle erlaubt präzise Vergleiche unter unterschiedlichen Bedingungen.
Forscher um Bart van Damme von der Empa-Abteilung «Akustik / Lärmminderung» entwickelten eine Simulation des Systems mittels Finite-Elemente-Methoden als Basis, um das Verhalten auf eine längere Bahnstrecke hochzurechnen. Als beste Lösung für Rail Pads erwies sich ein PIB-Anteil von über 50 Prozent, eingelegt in eine «Schale» aus dem härteren EVA-Kunststoff.
Tests auf realer Bahnstrecke
Auf einer Bahnstrecke in Nottwil finden Tests statt, ein beteiligtes Unternehmen übernimmt die Herstellung der bereits patentierten Bauteile. Dazu van Damme: «Diese Rail Pads lassen sich leicht herstellen. Auf der 100 Meter langen Strecke werden fast 400 Stück eingesetzt».
Die Messungen von Lärm, Vibrationen, Verformungen und weiteren Kenndaten werden zeigen, ob sich die Rail Pads bewähren. «Wir hoffen, dass sie hörbar weniger Lärm verursachen und gleichzeitig den Schotter besser schützen als herkömmliche, harte Zwischenlagen», so van Damme.
Im Forscherteam herrscht jedenfalls Optimismus. Dazu Empa-Abteilungsleiter Jean-Marc Wunderli: «Die im Projekt entwickelten Modelle erlauben eine gezielte Optimierung der teilweise widersprüchlichen Anforderungen». Und: «Da für die Herstellung der Zwischenlagen keine nennenswerten Mehrkosten erwartet werden, erhoffe ich mir einen grossflächigen Einsatz und damit einen bedeutenden Beitrag zur Reduktion des Bahnlärms.»
Text: Norbert Raabe, Empa